Neukirchen-Vluyn Turmhahn: Hebebühne bleibt stecken


 

Turmhahn: Hebebühne bleibt stecken
Eineinhalb Stunden warteten die Damen aus dem Presbyteriumauf Hilfe. FOTO: Klaus Dieker

 

Manchmal, wenn der Mensch denkt, dass er mal wieder etwas richtig Tolles hingekriegt hat, dann kommt ein Zeichen von oben - und es lässt ihn ahnen, welch unvollkommenes, eitles Wesen er doch ist. Gestern kam das Zeichen aus Höhe der Turmuhr der Vluyner Dorfkirche. Auf ihrem Niveau (auf gut 20 Meter über der Erde mag es liegen) blieb die Hubbühne stecken, die den neuen Hahn auf den Turm - genauer: auf die Spitze des Kreuzes auf dem Turm - transportieren sollte.

Der Mitarbeiter einer eigenes beauftragten Hebebühnen-Spezialfirma hatte den Arbeitskorb vor dem großen Akt probeweise mit zwei Frauen vom Presbyterium bestiegen und auf Kirchturmspitzenhöhe in rund 36 Meter gefahren. Man habe "mal gucken" wollen, hieß es später von den unten Stehenden. Bei der Abwärtsfahrt war dann an der Turmuhr Schluss - nichts ging mehr. Ein Höhepunkt des Dorfkirchen-Jubiläumsjahrs drohte zu platzen.

 

Geschafft! Bürgermeister Harald Lenßen und Bert Konijnenberg, Vorsitzender des Presbyteriums, mit dem Hahn auf dem Turm. FOTO: Privat

 

Während sich das kleine Höhendrama entspann, sammelten sich neben der Kirche die Gäste, darunter Bürgermeister Harald Lenßen. Die Hände in weiße Handschuhe gehüllt, präsentierte er den neuen Turmhahn in die zahlreich gezückten Kameras. Der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) hat die Anschaffung gemeinsam mit der Heinz-Trox-Stiftung sowie der Sparkasse am Niederrhein ermöglicht.

Der alte, vollkommen verwitterte Hahn drohte vor zwei Jahren abzustürzen und musste abgenommen werden. Das genaue Alter des ausgedienten Tiers ist unbekannt, der HVV hofft, diese Frage mithilfe der Oberen Denkmalschutzbehörde klären zu können, sagte gestern der Vorsitzende Hans Delihsen. Einen neuen Hahn habe die evangelische Kirchengemeinde jedenfalls eigentlich nicht mehr aufstellen wollen. "Aber dann haben sich viele Leute bei uns gemeldet, die den Hahn vermisst haben." So wurde ein neues metallenes Federvieh ausgebrütet.

Zurück zum Höhendrama: Durch Rufe von oben wurde die Gästeschar auf das feststeckende Hebebühnen-Trio aufmerksam. Die folgende Szenerie hatte etwas vom skurrilen Humor eines Loriot: Hebebühnen-Arbeiter erfragt bei den Gästen, ob jemand sich zutraue, ihm zu helfen. Einer öffnet den Notsteuerungskasten am Wagen und gibt nach oben die Beschriftungen der darin befindlichen Knöpfe durch. Hebebühnenmann: "Der nicht . . ., der nicht . . .", keine Knopfbezeichnung sagt ihm zu. "Probieren Sie's einfach", bittet er endlich den mutigen Helfer. Der probiert einen Knopf - man hält die Luft an - nichts. Hebebühnenmann beschließt, einen Monteur aus Düsseldorf zu rufen.

Hahn rauf und ab zum Mittagessen, wer sich das vorgenommen hatte, blieb vorerst hungrig - hatte aber die Muße, sich eingehend über den Turmhahn zu informieren. Dieser ist in der Form ein (bis auf den Kamm) exaktes Abbild seines Vorgängers, wurde aus drei Millimeter starkem Edelstahl in der Lehrwerkstatt der Firma Trox hergestellt, zweimal grundiert und in einem Fachbetrieb in Lippstadt dreimal mit Blattgold beschichtet. Auf der einen Seite sind die Namen der Spender eingraviert, auf der anderen ein Hinweis auf das 300-jährige Bestehen der Dorfkirche, das in diesem Jahr gefeiert wird, sowie ein Hinweis auf ein Bibelzitat, Römer 12,2: "Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene."

Anderthalb Stunden hatte man Zeit, über die Worte des Apostels Paulus zu sinnieren, denn so lange dauerte es, bis der herbeigerufene Fachmann die Hebebühne samt Inhalt auf die Erde holte. Nach einem technischen Test konnte der zwischenzeitlich verschwundene Bürgermeister Lenßen erneut zur Dorfkirche gerufen werden, um den goldenen Hahn doch noch persönlich auf den Turm zu geleiten. Zwei Hähne im Korb auf dem Weg nach oben, ein schönes Bild.

 

 

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